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Ein Mindestschaden in Höhe von 15% aufgrund des Erwerbs von Lkw?

11.10.2024, News

Wenn es nach den Instanzgerichten geht, sind die Hürden dafür (bzw. selbst für einen deutlich geringeren Kartellschaden) so hoch, dass bislang kaum ein Geschädigter über diese Messlatte springen kann. Lediglich manche Gerichte, wie das Landgericht Dortmund unter Klumpe das Landgericht Berlin oder das OLG Celle haben sich getraut, von der Befugnis Gebrauch zu machen. Manche Kläger sind aufgrund dieser Hürden bereits am „Ob“ des Schadens gescheitert. Diese Hürden hat der BGH nun im Urteil zum Lkw-Kartell IV deutlich gesenkt, um nicht zu sagen, eingeebnet. 

Im Rahmen von § 287 ZPO dürfen Tatrichter einen Schaden schätzen. Was der Kläger hierfür tun muss? Er muss hierfür alle greifbaren Anhaltspunkte vortragen, zu deren Darlegung er (ohne weiteres) in der Lage ist. So weit, so gut. Was gehört nun zu diesen Anhaltspunkten konkret dazu? Der BGH erklärt in jedem Fall, was NICHT dazu gehört (auch wenn dies die Kartellanten naturgemäß anders sehen dürften): Nicht vortragen muss der Kläger den genauen Inhalt der Kartellabsprachen. Diese kann er (Überraschung!) – abgesehen von der Entscheidung der EU-Kommission – ja auch gar nicht kennen. Das dürfen Tatgerichte also auch nicht verlangen. Ebenfalls nicht zwingend notwendig ist die Vorlage eines ökonomischen Sachverständigengutachtens durch den Kläger. Der BGH spricht den Klägern zwar nicht rundum ein grundsätzlich ökonomisches Verständnis ab. Ein Studium der oder gar eine Promotion in Ökonometrie muss der Kläger aber nicht vorweisen, denn er „verfügt typischerweise weder über die erforderlichen Daten noch den notwendigen Sachverstand, um den Preishöhenschaden zu ermitteln“. Möchte sich das Tatgericht jedoch nicht auf (zwar immer dicker werdendes, aber aus Sicht der Gerichte wohl immer noch rutschiges) Glatteis begeben, darf das Gericht auch selbst ein Sachverständigengutachten einholen, wenn es denn eines möchte. Aber, wichtig: Das müssen sie nicht. Der BGH ermutigt die Tatgerichte geradezu, selbst die Initiative ergreifen und ohne ein solches Gutachten den Schaden schätzen. Denn bereits die vielfach in Schriftsätzen und Urteilen zitierte Oxera-Studie 2009 zu kartellbedingten Preiserhöhungen kann laut BGH als Grundlage dafür dienen, dass das Lkw-Kartell zu einem „spürbaren Preiseffekt“ geführt und damit die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist.  

Ausblick:

  • Für Kläger in diversen Kartellschadensersatzprozessen ist das Urteil ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Durchsetzung ihrer Rechte.
  • Für die Tatgerichte ist das Urteil (ein lang ersehnter oder doch gefürchteter?) Freifahrtschein zur Schadensschätzung, denn „die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs [ist] in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters (…)“.
  • Und für den Gesetzgeber? Ein Wink mit dem Zaunpfahl? Eine Vermutung zur Schadenshöhe, wie bereits in § 34 Abs. 4 GWB für die Vorteilsabschöpfung geregelt, würde die Diskussionen zum Mindestschaden vollständig erübrigen. Da ist sie wieder - die Diskussion um eine Schadenshöhenvermutung.